Auch eine verlängerte Kündigungsfrist kann den Arbeitnehmer unangemessen benachteiligen

04.01.2018
erikeberwein

Das Bundesarbeitsgericht hat in einer unlängst veröffentlichten Entscheidung vom 26.10.2017, Az.: 6 AZR 158/16, sich mit dem Umstand einer weit über die gesetzlich festgelegten Kündigungsfristen hinausgehende Frist für beide Vertragsseiten befasst. Das BAG hat klargestellt, dass eine erhebliche Verlängerung der gesetzlichen Kündigungsfrist für den Arbeitnehmer in Allgemeinen Geschäftsbedingungen aufgrund einer unangemessener Benachteiligung gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam sein kann. Dies gilt selbst dann, wenn die Kündigungsfrist für den Arbeitgeber in gleicher Weise verlängert wird.

Hintergrund:

Die Klägerin beschäftigte den Beklagten in ihrer Leipziger Niederlassung seit Dezember 2009 gegen eine Vergütung von 1.400 Euro brutto. Im Juni 2012 schlossen die Parteien eine Zusatzvereinbarung. Sie sah vor, dass sich die gesetzliche Kündigungsfrist für beide Seiten auf drei Jahre zum Monatsende verlängerte, das monatliche Bruttogehalt wurde auf 2.400 € angehoben, ab einem monatlichen Reinerlös von 20.000 € sogar 2.800 €. Gleichzeitig wurde vereinbart, dass das Entgelt bis zum 30.05.2015 nicht mehr erhöht werden und bei einer späteren Neufestsetzung wieder mindestens zwei Jahre unverändert bleiben solle. Nachdem der Beklagte erfuhr, dass sein Arbeitsplatz durch die Klägerin überwacht wurde, kündigte unter anderem der Beklagte am 27.Dezember 2014 sein Arbeitsverhältnis zum 31.Januar 2015. Die Klägerin akzeptierte die Kündigung nicht und klagte auf Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis mit dem Beklagten bis zum 31.Dezember 2017 fortbesteht. Das Landesarbeitsgericht wies die Klage ab. Dagegen legte die Klägerin Revision ein.

Die Entscheidung des BAG

Die Revision hatte keinen Erfolg. Die in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltene Verlängerung der Kündigungsfrist auf drei Jahre benachteilige den Beklagten entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen und sei deshalb gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam. Bei einer vom Arbeitgeber vorformulierten Kündigungsfrist, die die Grenzen des § 622 Abs. 6 BGB und des § 15 Abs. 4 TzBfG einhalte, aber wesentlich länger sei als die gesetzliche Frist des § 622 Abs. 1 BGB, sei nach Abwägung aller Umstände des Einzelfalls unter Beachtung von Art. 12 Abs. 1 GG zu prüfen, ob die verlängerte Frist eine unangemessene Beschränkung der beruflichen Bewegungsfreiheit darstellt. Das Landesarbeitsgericht habe hier ohne Rechtsfehler eine solche unangemessene Gestaltung trotz der beiderseitigen Verlängerung der Kündigungsfrist bejaht. Der Nachteil für den Beklagten werde nicht durch die vorgesehene Gehaltserhöhung aufgewogen, zumal die Zusatzvereinbarung das Vergütungsniveau langfristig eingefroren habe.

Die Konsequenz

Arbeitgeber sollten bei der Vertragsgestaltung aufpassen, wenn sie Arbeitnehmer langfristig an ihr Unternehmen binden wollen. Selbst wenn die Kündigungsfrist für beide Seiten über die gesetzlichen Mindestanforderungen hinaus verlängert werden, heißt dies nicht, dass die Verlängerung aufgrund der Abwägung aller Gesamtumstände den Arbeitnehmer nicht unangemessen benachteiligt. Eine extreme Verlängerung der Kündigungsfrist auf mehrere Jahre steht nämlich insoweit dem grundgesetzlich garantierten Recht auf berufliche Bewegungsfreiheit entgegen. Wird dieser Nachteil nicht aufgrund anderer Umstände aufgewogen, ist eine derartige Regelung unwirksam.

 

Marc Dehn

Rechtsanwalt