BGH: Mängelrechte grundsätzlich erst nach Abnahme

07.11.2017
erikeberwein

Der BGH hat mit Urteil vom 19. Januar 2017 – VII ZR 301/13, eine im Bereich des Bau- und Werkvertragsrecht lange offene und heftig umstrittene Frage entschieden. Bislang war in Rechtsprechung und Literatur äußerst zweifelhaft, ob die Mängelrechte aus § 634 BGB vom Auftraggeber schon vor Abnahme geltend gemacht werden können. Für beide Ansichten wurden hinreichende Argumente vorgebracht, sodass auch in der obergerichtlichen Rechtsprechung keine einheitliche Haltung zu dieser Frage zu finden war. Nun hat der BGH zu dieser Frage erstmalig eindeutig Stellung bezogen.

 

Der Entscheidung des BGH lag folgender Sachverhalt zugrunde:

 

Ein Besteller verlangt von einem Unternehmer Vorschuss für die Beseitigung von Fassadenmängeln. Die Arbeiten sind fertig gestellt, aber nicht abgenommen. Streitig ist, ob ein Kostenvorschuss vor Abnahme verlangt werden kann.

 

Dies hat der BGH aus folgenden Gründen verneint.

Der Besteller kann nach Ansicht des BGH die Mängelrechte nach § 634 BGB grundsätzlich erst nach der Abnahme geltend machen. Die Abnahme des Werks stellt dabei den maßgebenden Zeitpunkt dar, ab dem die Mängelrechte des Auftraggebers aus § 634 BGB eingreifen. Zu dem Zeitpunkt der Abnahme beurteile sich grundsätzlich, ob ein Werk mangelfrei oder mangelhaft ist. Aufgrund dieser Zäsurwirkung hat der BGH entschieden, dass der Auftraggeber Mängelrechte nach § 634 BGB grundsätzlich erst nach Abnahme des Werks geltend machen kann. Hierbei wird  streng zwischen den Vertragsphasen vor und nach Abnahme unterschieden. Die Richter am Senat stellten fest, dass Herstellungsanspruch und Nacherfüllungsanspruch nicht nebeneinander, sondern nur zeitlich aufeinanderfolgend bestehen können.

 

Denn das Gesetz unterscheide zwischen Erfüllung und Nacherfüllung. Dementsprechend beginne auch die Verjährung der Mängelrechte erst mit der Abnahme. Diese Auslegung habe laut BGH folgende Konsequenz:

 

Vor der Abnahme stehen dem Besteller der Anspruch auf Herstellung des Werks und die allgemeinen Leistungsstörungsrechte wie Rücktritt, die Kündigung aus wichtigem Grunde und Schadensersatz zu. Der Schadensersatzanspruch ist zwar grundsätzlich verschuldensabhängig, ein Verschulden kann aber auch im verstreichen lassen einer dem Unternehmer gesetzten Frist zur Erfüllung seiner Leistungspflichten liegen. Es ist vor diesem Hintergrund nicht nötig, die Abnahme nur deshalb zu erklären, um die Rechte wegen Mängeln geltend machen zu können, zumal der Besteller sich seine Rechte wegen erkannter Mängel vorbehalten kann. Sobald der Unternehmer seine Leistungen zur Abnahme anbietet, können seitens des Bestellers auch ohne Abnahme die Mängelrechte geltend gemacht werden. Voraussetzung ist, dass der Erfüllungs- und der Nacherfüllungsanspruch untergegangen sind und ein Abrechnungsverhältnis vorliegt. Ein solches Abrechnungsverhältnis liegt vor, wenn der Besteller nur noch Schadensersatz oder Minderung verlangt. Der Anspruch auf Mängelbeseitigung einschließlich des Vorschussanspruches wird dadurch jedoch ausgeschlossen. Dies ergibt sich aus § 281 Abs. 4 BGB. Denn das Vorschussverlangen führt noch nicht zum Abrechnungsverhältnis, weil es den Erfüllungs- bzw. Nacherfüllungsanspruch des Bestellers nicht untergehen lässt. Das Abrechnungsverhältnis kann aber vom Besteller herbeigeführt werden, wenn dieser ausdrücklich oder konkludent zum Ausdruck bringt, weitere Arbeiten des Unternehmers am Werk unter keinen Umständen mehr zuzulassen, auch nicht für den Fall des Scheiterns der Mängelbeseitigung durch Ersatzvornahme. Unter diesen Umständen kann er dann nicht mehr den(Nach-) Erfüllungsanspruch gegen den Unternehmer geltend machen.

 

Fazit:

Der BGH hat eine strenge Abgrenzung zwischen den Vertragsphasen vor und nach Abnahme vorgenommen. Diese Abgrenzung hat zur Konsequenz, dass in der Ausführungsphase die Interessen des Bestellers durch die allgemeinen Rechte geschützt sind. Ein Vorschussanspruch besteht in dieser Phase jedoch nicht. Will der Besteller nach Fertigstellung Mängelrechte im Abrechnungsverhältnis geltend machen, so muss zunächst der Anspruch des Bestellers auf (Nach-)Erfüllung untergegangen sein. Der Anspruch auf Vorschuss ohne Abnahme geht somit einher mit dem endgültigen Verzicht auf weitere Nachbesserung. Das gilt nicht nur für den Fall der selbst durchgeführten Nachbesserung, sondern betrifft auch alle weiteren Mängel. Auch die Gewährleistungsfrist beginnt erst mit dem Abrechnungsverhältnis zu laufen. Das ist besonders für den Vorschuss von Bedeutung, den der Besteller nur im Rahmen der Mängelrechte verlangen kann.

 

Marc Dehn

Rechtsanwalt