BGH kassiert Schriftformheilungsklauseln in Gewerbemietverträgen

23.01.2018
erikeberwein

Der BGH hat mit Urteil vom 27. September 2017, XII ZR 114/16, entschieden, dass Schriftformheilungsklauseln mit § 550 BGB unvereinbar und daher unwirksam sind. Dies gelte sowohl für individuell oder in AGB vereinbarte Klauseln.

Das am 7. November 2017 veröffentlichten Urteil des BGH dürfte einige in der Branche aufgeschreckt haben, denn in langfristigen Gewerbemietverträgen finden sich solche Schriftformheilungsklauseln häufig. Sinn und Zweck dieser war es, zu verhindern, dass ein Schriftformverstoß die Möglichkeit zur Kündigung des Mietvertrages vor Ablauf der vereinbarten Festlaufzeit eröffnete. Diese Praxis hat der BGH nunmehr beendet:

Was war passiert?

Die Mietparteien hatten ursprünglich eine Wertsicherungsklausel vereinbart, wonach die Miete anzupassen ist, wenn sich der Verbraucherpreisindex um mindestens 10 Punkte verändert. Der Nachtrag zum Mietvertrag enthielt zudem eine Schriftformheilungsklausel.

In der Folgezeit bat der Vermieter den Mieter in einem Schreiben die Wertsicherungsklausel dahingehend zu ändern, dass die Miete nicht erst ab einer Veränderung von 10 Punkten, sondern ab einer Veränderung von 5% des Verbraucherpreisindexes angepasst wird. Der Mieter vermerkte auf dem Vermieterschreiben handschriftlich “6% einverstanden” und gab das von ihm unterschriebene Schreiben an den Vermieter zurück. Der Vermieter erhöhte wenige Monate später aufgrund Erreichens der 6% die Miete, die der Mieter fortan auch entrichtete. Drei Jahre später kündigte der Vermieter dem Mieter ordentlich aufgrund Nichteinhaltung der Schriftform. Zu Unrecht, urteilte der BGH (allerdings nicht wegen der vereinbarten Schriftformheilungsklausel).

Die Entscheidung

Der BGH urteilte, dass Schriftformheilungsklauseln stets, gleichgültig ob als Allgemeine Geschäftsbedingung oder individualvertraglich vereinbart, unwirksam sind. Das Formerfordernis des § 550 BGB dient dabei nicht nur dem Schutz des Mieters, sondern soll auch langfristige Abreden zwischen den ursprünglichen Vertragsparteien dem Beweis leichter zugänglich machen und die Vertragsparteien vor der unbedachten Eingehung langfristiger Bindungen schützen.

Der BGH führt weiter aus, mit § 550 BGB habe der Gesetzgeber die Vertragsfreiheit bewusst dahingehend eingeschränkt, dass langfristige mietvertragliche Bindungen über Wohn- und Gewerberäume der Schriftform bedürfen. Wird die Schriftform des § 550 BGB in Mietverträgen nicht gewahrt, besteht als zwingende gesetzliche Folge auch kein langfristiges Mietverhältnis, welches es zu wahren gelte.

Eine Schriftformheilungsklausel ist darauf gerichtet, die vom Gesetzgeber bewusst gewollte Rechtsfolge des § 550 BGB zu umgehen, der Mietvertrag soll also trotz Nichteinhaltung der Schriftform nicht wie vom Gesetzgeber vorgesehen ordentlich kündbar sein. Dies stellt aus Sicht des BGH einen unzulässigen Verstoß gegen zwingendes Recht dar, mit der Folge der Unwirksamkeit der Schriftformheilungsklausel.

Im vorliegenden Fall kam der BGH am Ende trotz Unwirksamkeit der Schriftformheilungsklausel zu dem Ergebnis der Unwirksamkeit der ordentlichen Kündigung. Dies begründete er mit einem Verstoß des Vermieters gegen Treu und Glauben. Ein solcher Verstoß liegt nach dem BGH vor, wenn eine Mietvertragspartei eine nachträglich getroffene Abrede, die lediglich ihr vorteilhaft ist, allein deshalb, weil sie nicht die schriftliche Form wahrt, zum Anlass nimmt, sich von einem ihr inzwischen lästig gewordenen langfristigen Mietvertrag zu lösen.

Konsequenzen:

Für die Praxis bedeutet dies, dass bei nachträglichen Abreden sorgfältig auf die Einhaltung der Schriftform geachtet werden muss. Die jeweiligen Vertragsparteien können sich nicht darauf verlassen, dass einer vorzeitigen Beendigung des Mietverhältnisses durch eine Schriftformheilungsklausel wirksam vorgebeugt werden kann. Es ist nunmehr dringend darauf zu achten, dass alle Nebenabreden zum Mietvertrag der Schriftform entsprechend festgehalten werden. Die in der Praxis meist lediglich mündlich erfolgenden Abreden können nach dem Urteil des BGH nunmehr schwerwiegende Folgen haben.

Marc Dehn

Rechtsanwalt