Reform des Insolvenzanfechtungsrechts

28.06.2017
erikeberwein

Seit dem 05. April 2017 ist das Gesetz zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnung und nach dem Anfechtungsgesetz in Kraft. Ziel des Reformgesetzes soll sein, den Insolvenzverwaltern im Insolvenzverfahren eine sogenannte Vorsatzanfechtung gem. § 133 Abs. 1 InsO zu erschweren.

Die neuen Regelungen des Gesetzes betreffen alle Insolvenzverfahren, die nach dem 04.April 2017 eröffnet worden sind. Ausnahmen gelten ausschließlich für Zinsansprüche und Nutzungsherausgabeansprüche als Nebenforderungen, dazu weiter unten unter Nr. 5.

1. Die Anfechtungsfrist von Deckungshandlungen im Rahmen der Vorsatzanfechtung wird verkürzt

Für Rechtshandlungen des Schuldners, die der Erfüllung eines Anspruchs eines Gläubigers dienen, wurde die Anfechtungsfrist von zehn Jahren auf vier Jahre gekürzt. Im Übrigen bleibt es gemäß § 133 Abs. 1 S. 1 InsO bei der Anfechtung innerhalb eines Zeitraumes von 10 Jahren.

2. Neue Vermutungsregelung bezüglich der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit bei angefochtenen Zahlungen im Rahmen von Zahlungserleichterungen

Eine zusätzliche Hürde wurde für die Vorsatzanfechtung von Zahlungen in § 133 Abs. 3 S. 2 InsO aufgenommen, Bei Zahlungen, die der Schuldner vor Stellung des Insolvenzantrags aufgrund von Zahlungserleichterungen an seinen Gläubiger erbracht hat, wird nunmehr gesetzlich vermutet, dass der Anfechtungsgegner zur Zeit der Zahlung die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nicht kannte. Diese gesetzliche Vermutungsregelung führt dazu, dass in Zukunft bei der Anfechtung von derartigen Zahlungen der Insolvenzverwalter eindeutige Beweise vorlegen und nachweisen muss, dass der Anfechtungsgegner bei Erhalt der Zahlungen Kenntnis von einer Zahlungsunfähigkeit des Schuldners oder dessen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz hatte.

3. Anfechtung von Bargeschäften

Mit der Gesetzesänderung kommt es nunmehr nicht darauf an, ob die in das Vermögen des Schuldners aufgehende Gegenleistung eines Anfechtungsgegners den Gläubigern konkreten Nutzen verspricht. Gemäß § 142 Abs. 1 InsO ist eine Leistung des Schuldners, für die unmittelbar eine gleichwertige Gegenleistung in sein Vermögen gelangt ist, nur noch anfechtbar, wenn die Voraussetzungen der §§ 133 Abs. 1 bis 3 InsO vorliegen und der Anfechtungsgegner erkennt, dass der Schuldner unlauter handelt.

Die neu eingefügte Voraussetzung der Unlauterkeit führt zu verschärften Anforderungen an eine Vorsatzanfechtung bei Bargeschäften. Ziel ist, dass allen Geschäften, die allgemein zur Fortführung des Geschäftsbetriebes erforderlich sind, es an einer Unlauterkeit fehlt, auch wenn der Schuldner erkennt, dass die Betriebsfortführung verlustträchtig ist. Der Leistungsempfänger muss die Unlauterkeit auch zwingend erkannt haben.

§ 142 Abs. 2 InsO enthält desweiteren eine neue Definition für die Unmittelbarkeit des Leistungsaustauschs, die in Zukunft mit Sicherheit von der Rechtsprechung ausgelegt und genauer definiert werden wird. So soll die Unmittelbarkeit nunmehr im Hinblick auf die spezifische Art des Rechtsverkehrs zu beurteilen sein, weil es auf die „Art der ausgetauschten Leistungen unter Berücksichtigung der Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs“ ankommt.

 

4. Erhöhung der Anforderungen an den Nachweis der Kenntnis des Anfechtungsgegners von einem Gläubigerbenachteiligungsvorsatz

Bislang genügte für die Vermutung und damit den Nachweis der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners, dass der Anfechtungsgegner Kenntnis von einer nur drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners hatte.

Nunmehr gilt: Nur wenn der Anfechtungsgegner Kenntnis der beim Schuldner auch tatsächlich eingetretenen Zahlungsunfähigkeit hatte, wird bei kongruenten Deckungshandlungen gemäß § 133 Abs. 3 InsO die Kenntnis des Anfechtungsgegners vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners bei Vornahme der Rechtshandlung vermutet.

5. Zinsen nur noch eingeschränkt bei anfechtungsspezifischen Herausgabeansprüchen

Nicht mehr ab dem Tage der Insolvenzeröffnung, sondern nur noch bei Schuldnerverzug oder bei Vorliegen der Voraussetzungen von § 291 BGB sind anfechtungsspezifische Herausgabeansprüche gemäß § 143 Abs. 1 S. 1 InsO zu verzinsen. Eine Anreicherung der Masse kann somit nun nichtmehr dadurch erfolgen, dass der Insolvenzverwalter bis zum Ablauf der Verjährungsfristen wartet, insolvenzspezifische Anfechtungsansprüche geltend zu machen. Hohe Zinsforderungen sind auf diese Weise nicht mehr zu erlangen. Die Berechnung der Ansprüche bemisst sich jedoch vor dem 05.April 2017 nach den alten Vorschriften, erst ab dem 5. April 2017 nach der neuen Regelung des § 143 Abs. 1 S. 3 InsO.

 

Marc Dehn

Rechtsanwalt